Louise BEAUCHÊNE
« Sich anderen Akteuren zu öffnen ist elektrisierend »

Für Louise Beauchêne, Koordinatorin des Bérénice-Projekts, war die Zusammenarbeit mit kulturellen oder sozialen Einrichtungen aus Belgien, Luxemburg und Deutschland sehr bereichernd. Es fehlte allerdings die Zeit für einen weiteren und tieferen Austausch zur Praxis.

Zu Eurer grenzüberschreitenden Arbeit in der Großregion: Ist die geografische Grenze noch sehr präsent?

Es ist mehr eine psychologische als eine geografische Grenze. Einige waren aber noch nie bei den anderen gewesen. Es fordert viel Kraft und der Sprachenunterschied kann Angst machen. In diesen drei Jahren sind die Partner viel gereist. Das war erforderlich. Meiner Ansicht nach kann es sehr hilfreich sein, wenn zum Team Personen aus den Nachbarländern gehören, beispielsweise im Rahmen von Praktika. Bei uns zum Beispiel – im Team von Passages – hatten wir eine deutsche Mitarbeiterin, Lisa Saloch, für das Projekt eingestellt. Unser deutsch-französisches Tandem behalte ich in sehr guter und bereichernder Erinnerung.

Welche Unterschiede in den Herangehensweisen konnten Sie zwischen den französischen, den belgischen, den luxemburgischen und den deutschen Einrichtungen feststellen?

Die Arbeitsweisen sind zwar verschieden, dies liegt allerdings eher an den unterschiedlichen Formen und Größen der beteiligten Einrichtungen. Wenig gemeinsam hat das Festival Passages, das mit fünf bis sechs Festangestellten arbeitet, mit dem Theater Trier und seinen mehr als zweihundert Mitarbeitern. Das letztere ist ein Ensembletheater, in dem ein großer Teil der Künstler festangestellt ist. In Deutschland nehmen Stadttheater in der Regel keine Gastspiele in ihr Programm auf, sondern bieten Eigenproduktionen an. In Frankeich haben wir das System „intermittence du spectacle“, dank dem Künstler und Techniker mit mehreren Arbeitgebern arbeiten und dadurch an vielen Orten auftreten können. Die Berufstypologien sind ebenfalls unterschiedlich gedacht und aufgebaut. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit auf grenzüberschreitender Ebene setzt voraus, dass die Ansprechpartner klar identifiziert werden. In Frankreich ist der oder die Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit für die Organisation von Praxisworkshops zuständig, aber nicht für deren Durchführung. Er oder sie muss einen Schauspieler beziehungsweise eine Schauspielerin damit beauftragen. In Deutschland oder in Luxemburg ist es in der Regel der/die Theaterpädagoge/-in, der/die diese Workshops konzipiert und durchführt. In Belgien mischen sich beide Herangehensweisen.

Was hat Ihnen im Grunde dieses europäische Projekt gebracht?

Sich anderen Akteuren zu öffnen, die in anderen beruflichen oder kulturellen Bereichen tätig sind, ist elektrisierend. Aus dem Umgang mit Personen, die im Sozialbereich, in der Anthropologie oder im politischen Leben engagiert sind, habe ich unheimlich viel gelernt. Ich habe Freundschaften mit Einwohnern aus Metz, mit Syrern, mit Albanern, mit Sudanesen geknüpft. Die Begegnung mit dem Anderen, auch in seiner eigenen Stadt, ist nicht selbstverständlich. Ich erfuhr zum Beispiel, dass ich in Metz fünf Minuten entfernt von einer wichtigen Notunterkunft wohnte. Bisher war es meiner Aufmerksamkeit entgangen. Jedes Haus hat es sich mit seinen etablierten Abläufen bequem gemacht. Sich zu öffnen, heißt aber für mich, seine Komfortzone zu verlassen und sich mit Unbequemlichkeiten auseinanderzusetzen. Als kultureller Akteur ist es manchmal einfacher, vorgefassten und bewährten Anleitungen zu folgen, als selber zu agieren. Dennoch scheint es mir unentbehrlich zu sein, ständig den Sinn und die Auswirkungen unserer Angebote an das Publikum zu hinterfragen. Drei Jahre solcher grenzüberschreitenden, mehrstufigen Kooperationen sind sehr kurz. Es braucht Zeit, um die Teams mit den Projekten vertraut zu machen. Zum nächsten Schritt gehört nun die Ergebnisse unserer Erfahrung formalisiert zu dokumentieren, unter anderem mit der Durchführung von Fortbildungen zum Thema „soziale Inklusion durch Kunst“.