Nicolas CONTOR
« Viel wirkungsvoller als zehn Informationsveranstaltungen »

Als Leiter des regionalen Integrationszentrums der Provinz Luxemburg in Libramont (Belgien – Crilux) hält Nicolas Contor die Kultur für eine wirkungsvolle Unterstützung für das Feld der Integrationsarbeit.

Sie arbeiten für eine Sozialeinrichtung, die sich um die Integration immigrierter Personen kümmert. Inwieweit hilft Ihnen die Kultur, Ihre Arbeit zu leisten?

Dank Partnerschaften, unter anderem mit dem Verein Le Miroir Vagabond, nutzen wir Theater als Mittel zum Spracherlernen, zur Stärkung des Selbstverstrauens sowie zur Schaffung einer Gruppendynamik. Bei Gruppen, die sich zwei Wochen lang intensiv mit Theater befassten, haben wir festgestellt, dass sich Sprachblockaden einigermaßen aufheben ließen. Im Bereich der Malerei regt das Malen von Fresken und kollektiven Werken dazu an, frei zu sprechen, sich auszudrücken und von seiner persönlichen Situation Abstand zu gewinnen. Schließlich helfen wir auch bei der Vermittlung und Verbreitung von Stücken und nehmen unser Publikum mit ins Theater, was in unserem ländlichen Kontext nicht so häufig ist.

Kann Kultur auch den Blick von „Einheimischen“ ändern?

Ja. Wir haben zum Beispiel einen syrischen Flüchtling, der in seiner Heimat Maler war, dazu eingeladen, Werke in einem soziokulturellen Zentrum auszustellen. Seine Werke sind eher esoterisch und mythologisch inspiriert. Er fühlte sich anerkannt und die Besucher haben in ihm zuerst den Künstler erblickt. So geht man über die Migrationsfrage hinaus. Das ist viel wirkungsvoller als zehn Informationsrunden, die versuchen zu erklären, warum man Migranten aufnehmen muss. Hier wird in der Diskussion und in den Interaktionen die Wahrnehmung des Anderen als Menschen wieder bewusst gemacht.

Vertreten Ihre Förderer auch diese Ansicht?

Es war vorher einfacher. Heute werden wir unter Druck gesetzt: Die berufliche Eingliederung hat Priorität und es wird von uns eher eine klassische Vermittlungsarbeit erwartet. Es ist schwieriger klar zu machen, dass Umwege notwendig sind. Dass zuerst das Selbstvertrauen wiederaufgebaut werden muss, dass es Zeit braucht, bis man eine Stelle finden kann. Darüber hinaus sind solche Methoden weniger quantifizierbar als zum Beispiel eine Fortbildung. Dass wir öffentliche Fördermittel für unsere Sozialarbeit erhalten, gewährt uns wahrscheinlich weniger Freiheiten. Wir dürfen zum Beispiel keine rein kulturelle Vermittlungsaktion finanzieren. Dafür müssen wir mit einer Partnereinrichtung zusammenarbeiten, was den Prozess zersplittert und verlangsamt.

Ihr Zentrum war strategischer Partner des Bérénice-Projekts. Was brachte Ihnen diese Rolle?

Der Austausch mit den anderen Projektteilnehmenden bestärkte mich in meiner Wahrnehmung der anzunehmenden Herausforderungen. Trotz aller Grenzen stimmen unsere Ansichten überein. Ich habe auch mein Partnernetzwerk stark erweitert, was mir erlauben wird, unser Angebot an Theaterstücken abwechslungsreicher zu gestalten und den Ansprechpartner, an den ich mich wenden kann oder muss, schneller zu identifizieren, wenn ich es beim nächsten Mal wieder mit einem geflüchteten Künstler zu tun habe.