Mohamed KUSHARI
« Freiheit ist ein kultureller Schock. »
Als Dichter, Schauspieler, Musiker und Pädagoge hat Mohamed Kushari, syrischer Geflüchteter in Trier, viele Möglichkeiten ergriffen, um sich in Deutschland künstlerisch weiterzuentwickeln. Künstlerische Freiheit müsse man aber auch erlernen.
Ihre eigene Geschichte wurde im Theaterstück Trierer Bérénice erzählt. Wie war es für Sie, Ihre persönliche Geschichte zu erzählen?
Ich bin im November 2016 nach Deutschland gekommen. Im Rahmen der Deutschkurse für Migranten, die an der Universität studieren wollen, begegnete ich Marc-Bernhard Gleißner vom Bürgertheater am Theater Trier. Er war auf der Suche nach syrischen Mitwirkenden für ein Theaterstück über den Theologen Friedrich Spee, das im Rahmen des Spielzeitmottos „Religion und Fanatismus“ aufgeführt werden sollte. Das Stück über Friedrich Spee von Langenfeld, einen Jesuiten und Lyriker, ging über Spees Einsatz gegen die Hexenverfolgung im 16. Jahrhundert. In Syrien war Kunst geprägt von politischer Vorgabe, die den Staatspräsidenten huldigen sollte oder von Zensur betroffen war. Im Bürgertheater wurde Kunst gemacht, die kritisch gegenüber der eigenen Politik und Kultur war. Marc-Bernhard Gleißner hat das Stück Bérénice auf Grund der gleichnamigen Texte von Jean Racine, Edgar Allan Poe und Georg Friedrich Händel mit meiner Geschichte verknüpft. Ich habe meine Geschichte in Auseinandersetzung mit Literatur erzählt. Das war hilfreich in der Auseinandersetzung mit meinem Werdegang. Der wichtigste Satz in meinem Abschlussmonolog war: „Ich bin nicht austauschbar!“ Dieser Satz ist sehr wichtig für mich geworden: Ich will nicht durch meine Staatsangehörigkeit und meinen Flüchtlingsstatus ausgetauscht werden. Das Theaterstück Trierer Bérénice war hier ein Stück Emanzipation. Ich will als Künstler wahrgenommen werden und mitmachen und nicht auf meine Herkunft reduziert und ausgetauscht werden.
Heute sind Sie selbst als Konzertpädagoge mit einer Anstellung am Theater Trier tätig.
Schon vor meiner Ankunft in Deutschland habe ich gelernt, akustische Gitarre zu spielen und dabei ziemlich schnell Fortschritte gemacht. Im Bürgertheater habe ich dann auch die musikalische Leitung von zwei Stücken übernommen. Seit der Spielzeit 2018/19 wurde das Orchester der Stadt Trier durch Bundesprogramm „Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland“ gefördert. Ich wurde im Theater Trier angestellt, um Konzertpädagogik an ein junges Publikum zu richten. Wir waren uns schnell einig, dass dies nur inklusiv geschehen kann. Wir fanden im Eifel-Gymnasium Neuerburg eine Kooperationsklasse mit Geflüchteten und Migranten und gründeten mit ihnen und Teilen des Orchesters der Stadt Trier ein Projektensemble. Als Konzertpädagoge konnte ich mit den Schülern, die aus Syrien kamen, auch auf Arabisch sprechen und so Ängste abbauen.
Innerhalb von vier Jahren in der künstlerischen Betätigung haben Sie vieles gelernt. Aber haben Sie sich auch selbst verändert?
Wenn man in Deutschland ankommt, und sich das Gefühl der Freiheit, nach der man die ganze Zeit strebte, ausbreitet, stellt sich erst einmal ein Schock ein. Ich war da etwas gelähmt zwischen der Freiheit, mich selbst entfalten zu dürfen, und dem Willen, meine Herkunft nicht zu verleugnen. Die Musik, das Schreiben und das Theater helfen mir, meine Gefühle in Worte zu fassen und sie sind aber auch gleichzeitig ein Ort zwischen alledem. Deswegen ist Freiheit ein kultureller Schock: Es gibt kein klares Freund – Feind-Schema, nur ein Dazwischen!