Warum bringen Sie Asylbewerber zu Aufführungen?

Ich habe gemerkt, dass es ihnen gut tut, die Unterkunft, in der sie sonst immer sind, kurz zu verlassen. Ich nehme zwei bis zehn Personen mit. Den Abend verlängern wir immer in der Bar des Kulturzentrums. Der Austausch dort, auch mit den Künstlern, ist immer sehr lebendig. Sie drücken das Empfundene aus. Es entstehen neue Freundschaften mit Belgiern, die sich nichts anderes als solche Gelegenheiten wünschen, um mit ihnen zu diskutieren. Nun werden sie auch in der Straße mit „Wir sind uns im Kulturzentrum begegnet“ angesprochen. Sie sind keine Unbekannten, keine Fremden mehr, sie gehören allmählich zur lokalen Gesellschaft. Und mich bereichert es auch sehr. Was ich ihnen gebe, bekomme ich vierfach zurück!

Wie wählen Sie die Stücke aus?

Ich nehme sie zu allem mit, weil ich selber alles mag! Manchmal lade ich speziell den einen oder den anderen ein, aufgrund der Herkunft der auftretenden Künstler. Es tut ihnen gut, Menschen auf der Bühne zu sehen, die ihnen ähnlich sind, aus demselben Land kommen oder die gleiche Hautfarbe haben. Es beruhigt sie. Für den ersten Schritt fühlen sie sich dann sicherer. Sie sind aber auch sehr neugierig. Bei klassischen Konzerten sind sie von der Anzahl der Musiker fasziniert und berührt. Viele hatten so etwas in ihren Ländern noch nie gesehen. Ich nehme sie allerdings sehr selten mit ins Theater, aufgrund der Sprache. Einige Stücke oder Filme stellen ihnen eine Realität gegenüber, die sie selbst erlebt haben. Ich frage mich, ob ich das Recht habe, sie damit zu konfrontieren, aber sie freuen sich darüber, dass von dieser Realität erzählt wird.

Zeichnen sich ihre Vorlieben klarer ab?

Ja, sie haben alle Vorlieben. Manchmal stelle ich bei einigen ein gemeinsames Interesse an einem bestimmten Aufführungstypus fest. Dies geht über die Herkunft hinaus. Inzwischen kenne ich sie immer besser und ich kann dann die WhatsApp-Einladungen gezielt an die einen oder die anderen senden. Es ist ganz einfach!